Saelde und Ere - Mittelhochdeutsche Originaltexte

Mîn herze,ir schœne und diu minne

Der Tiroler Minnesänger Rubin beim Minnetändeln, Abbildung aus der Weingartner Liederhandschrift, um 1315

Der Sommer mit Sonne und Hitze, mit seinen Badefreuden, mit viel Spaß und wenig Stoff; verstohlene Blicke, vorlaute Zurufe, laue Mondnächte, das Rauschen der Brandung, Tändeleien allerortens - klar, dass da ein Thema - nämlich das Thema, das die Menschheit schon seit dem Anbeginn der Zeiten bewegt (und wir reden hier ausdrücklich nicht vom Fußball!) - ganz vorne auf der 'to do'-Liste steht. Es handelt sich um die Liebe - worum sonst! Und ihr wollen wir - passend zur Jahreszeit - den heutigen Beitrag widmen ...

Über die Minne wussten schon unsere mittelalterlichen Vorfahren, und da an prominentester Stelle die Herren Minnesänger viel zu sagen, besser zu singen. Doch nehmt euch acht! Nicht immer (und häufig auch nicht für lange) ist es die honigsüße Rezeptur, die Frau Minne uns schmecken lässt; allzuhäufig wohnt ihrem Genuss ein bitterer Beigeschmack bei. Und da uns niemand besser geeignet zu sein scheint, euch vor den Gefahren und Tücken zu warnen, und den Schmerzen, die euer Herz in einem solchen Fall zu erdulden hat, als Herr Heinrich von Morungen, wollen wir ihn hier zu Worte kommen lassen

Zurück zur Übersicht Mittelhochdeutsch, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite

Kleiner Zwischenraum

Mein Herz, ihre Schönheit und die Liebe

Mein Herz, ihre Schönheit und die Liebe haben sich
zueinder verschworen, scheint mir, auf meiner
Freuden Tot.
Warum haben die drei gerade mich dazu auserwählt?
Ach Minne, gebt doch der Geliebten einen Teil
meiner Qual,
teilt so, dass sie die Gedanken daran erröten lassen.
Wünsche ich ihr jetzt, dass sie sich nach mir sehnt?
Das sollte ich besser lassen.
Vielleicht erregt es ihren Zorn,
da es keines ihrer Worte war, das mich in meinen Kummer stieß.

Mîn herze, ir schœne und diu minne

Mîn herze, ir schœne und diu minne habent gesworn
zuo ein ander, des ich wæne, ûf mîner vröuden tôt.

zwiu habent diu driu mich einen dar zuo erkorn?
ôwê, minne, gebent ein teil der lieben mîner nôt,

teil ir si sô mit, daz sî gedanke ouch machen rôt.
wünsche ich ir senens nû? daz wære bezzer verborn.

lîhte ist ez ir zorn,
sît ir wort mir deheinen kumber gebôt.

Kleiner Zwischenraum

Zum Autor und diesem Werk:

Über Heinrich von Morungen, den vermutlich aus Thüringen stammenden Minnesänger haben wir bereits an anderer Stelle einige Worte verloren; dass er sich auch dort über seine Dame beklagt, soll uns nicht weiter verwundern - schließlich gilt er als klassischer Vertreter des sogenannten hohen Minnegesanges. Und diese hohe Minne war im Allgemeinen recht unerquicklich für den Dienstmann, der seiner hohe Frau - meist verheiratet, immer jedoch von höherem Stand - allenfalls einmal einen Gruß, eine ihm gewidmete Geste oder - huch! - gar ein Lächeln entlocken konnte.

Natürlich gibt es genügend Untersuchungen, die einerseits im beschriebenen 'Dienst-'Verhältnis zwischen dem Minneritter und seiner (Herzens-)Herrin eine Abbildung der Beziehungen zwischen Fürst und Minesterialien und somit der Verhältnisse der Höfe zur Zeit der Stauferkaiser erkennen wollen, andererseits der besungenen Frau die reale Existenz absprechen, womit der Dienst des Ritters am derart verbleibenden 'Idealbild' auch als Erziehunganleitung zum rechten höfischen Verhalten verstanden werden konnte.

Ob nun Heinrich eine spezielle Dame im Blick hatte oder nicht ... doch nein, zu intensiv, zu gut beobachtet, zu literarisch scheinen uns die Gesten der Liebsten beschrieben, als dass wir sie gänzlich ins Reich der Phantasie verbannen möchten. Aber auch als Frau aus Fleisch und Blut scheint sie ihm eine Menge an Liebesleid zu verursachen, wenn man seine obigen Verse heranzieht ...

Andererseits finden sich in der achtzeiligen Stollenstrophe mit dem Motiv der Verschwörung von Frau Minne, Schönheit der Angebeteten und dem eigenen - dummen - Herzen, sowie dem des geteilten Leids zwei doch recht gebräuchliche Motive (wie sie sich etwa schon in der Trobadurlyrik - was uns vermuten lässt, dass Heinrich die französischen Vorbilder gut bekannt sein mussten - aber beispielsweise auch bei Walther ausmachen lassen).

Also doch wieder die Verwendung bekannter Versatzstücke - aber in der bekannt Viruosität Heinrichs verwendet - schließlich versteht es keiner so gut zu jammern, sich über die Grausamkeit der 'süßen Mörderin' beklagen, ihr den Dienst weit über den Tod hinaus anzudrohen, um sie dann wieder in den höchsten Himmel zu loben, ja sie mit der Himmelsherrin dort, der Mutter Gottes selbst zu vergleichen ...

Vielleicht ist es aber auch die Umtriebigkeit mit der Herr Heinrich in der Welt umherkam - schließlich sagt ihm eine aus der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert stammende Erzählung eine Indienreise nach, wobei damals bereits Persien als Indien herhalten konnte -, welche die Farbigkeit seiner Lobpreisungen und die Schilderung der beklemmenden Minnegrausamkeiten befeuerten ...

Womit wir mit besagter Fernreise den Kreis zu unseren modernen Urlaubsreisen wieder geschlossen hätten, die ihr nun, nachdem ihr von so profundem Fachmann vor den Gefahren der Minne gewarnt, beruhigt antreten möget ...

Zurück zur Übersicht Mittelhochdeutsch, zum Anschlagbrett, oder zur Hauptseite

© 2016, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten