'... wie er höfslîche koeme geriten.' - Das Turnier vor Kanvoleis 2
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Wir erinnern uns was Herr Wolfram von Eschenbach in seinem Parzival bereits zu berichten wusste: Da schuften sie nun, die Ge- folgsleute des edlen Gachmuret, indess ihr Herr vor der Stadt noch einen kleinen Imbiss zu sich nimmt, mühen sich beim Aufstellen des prächtigen Zeltes, das von dreißig Saumtieren transportiert werden muss. Mitten in der Stadt geschieht dies, unter den Mau- ern des königlichen Palastes und bestaunt von der Königin und ihren Damen. Denn die edle Herrin soll sehen, welch edler Ritter, welch wohlhabender Edler hier zu Lagern gedenkt. Auffallen und beeindrucken, das ist es, was die Knappen des Gachmuret damit bezwecken wollen, die Neugierde der Königin entfachen. Mit dem kostbaren Zelt alleine ist es allerdings noch lange nicht getan, dieses stellt nur den Auftakt einer bestens abgestimmten Werbekampagne dar, mit der sich der Held in den Mittelpunkt des öffent- lichen Interesses stellen will ...
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Parzival (Ausschnitte aus Buch 2)
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Danach befleissigte er sich,
wie ein echter Edelmann einzureiten.
Da ließ man sich nicht länger bitten.
Seine Knappen banden nun
seine Speere zusammen:
ein jeder fünf Stück in ein Bündel,
die sechste trug er in der Hand
mit einem Banner daran.
So kam der Stolze gezogen.
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Höfisch durch die Stadt
hielt der Held seinen Einzug
und weckte dabei die Schlafenden.
Viele Schilde sah er gleißen.
Die hellen Posaunen
schallten laut vor ihm.
Mit kräftigen Schlägen und Würfen
lärmten zwei Tamboure:
der Lärm hallte über die ganze Stadt.
Die Musik mischten sich jedoch andere Töne unter,
die von mitreitenden Flötenspielern herrührten.
Sie spielten eine kriegerische Weise.
Wir dürfen darüber nicht vergessen,
wie ihr Herr eingezogen kam.
Ihn begleiteten Fiedler.
Nun legte der edle Held
ein Bein vor sich auf das Pferd,
zwei Stiefel sah man über bloßen Beinen.
Sein Mund leuchtete wie ein Rubin,
so rot als würde er brennen;
voll die Lippen, nicht zu dünn.
Überall war sein Leib wohlgestaltet.
Hell und lockig war sein Haar,
dort wo es unter dem Hute hervorlugte;
der war eine teure Kopfbedeckung.
Sein Mantel bestand aus grünem Samt,
ein Zobel vorne verlieh im schwarzen Schein;
unter dem er ein weißes Hemd trug.
Vom Schauen entstand großes Gedränge.
Überall wurde gefragt,
wer denn dieser bartlose Ritter wäre,
der da in solcher Pracht einherzog.
Rasch verbreitete sich die Neuigkeit.
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Parzival (Ausschnitte aus Buch 2)
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Dar nâch er sich mit vlîze vleiz,
wie er höfslîche koeme geriten.
des enwart niht langer dô gebiten,
sine knappen an den stunden
sîniu sper ze samne bunden;
ieslîcher vünfiu an ein bant:
daz sehste fourter an der hant
Mit einer baniere.
sus kom gevarn der fiere.
...
höfslîchen durch die stat
begunde trecken,
die slâfenden weken.
vil schilde sach er schînen.
die hellen pusînen
mit crache vor im gâben dôz.
von würfen und mit slegen grôz
zwên tambûre gâben schal:
der galm über al die stat erhal.
der dôn iedoch gemischet wart
mit vloytieren an der vart:
ein reisenote si bliesen.
nu sulen wir niht verliesen,
wie it hêrre kommen sî:
dem riten videlaere bî.
dô leite der degen wert
ein bein vür sich ûf daz pfert,
zwen stîval über blôziu bein.
sîn munt als ein rubîn schein
von roete als ob er brünne:
der was dicke und niht ze dünne.
sîn lîp was allenthalben clâr.
lieht reideloht was im sîn hâr,
swâ manz vor demhuote sach:
der was ein tiure houbetdach.
grüene samît was der mandel sîn:
ein zobel dâ vor gap swarzen schîn,
ob einem hemde daz was blanc.
von schouwen wart dâ grôz gedranc.
Vil dicke aldâ gevrâget wart,
wer waere der ritter âne bart,
der vuorte alsölhe rîchheit.
vil schiere wart daz maere breit:
...
Anmerkungen:
Da bleibt dem staunenden Volk der Atem weg und allenthalben wird dieser prächtige Ritter bestaunt, der da den Weg durch die Stadt nimmt. Dieser nimmt es nicht nur gelassen und betont lässig in Kauf bestaunt zu werden - vielleicht übertreibt er es in unseren Augen sogar ein wenig, das Bein vor sich auf dem Sattel, das ist ja beinahe schon eines Angebers würdig, der verdeut- lichen will, wie sicher er sich im Sattel fühlt -, nein, er hat es ganau darauf angelegt, Aufmerksamkeit zu erregen.
Posaunen, Tamburine, Fiedeltöne und Flöten machen noch den letzten Städter aufmerksam, ja reißen sogar die noch Schlafenden aus ihrem Schlummer und künden Volk und Königin an, dass hier jemand in die Stadt einzieht, der besondere Heldentaten zu voll- bringen gedenkt. Gemäß mittelalterlicher Romanlogik wird ihm dies auch gelingen, denn wieder einmal sind Reichtum, körperliche Schönheit sowie Mut, Kampfeskunst und Stärke Eigenschaften, die zusammentreffen - zwingend zusammentreffen. Äußerliche At- tribute entsprechen im mittelalterlichen Denken eben häufig inneren Werten. Und so kommt, was kommen muss: Die Königin, neu- gierig, wer denn da mit solchem Pomp in das eben erst bestaunte Prachtzelt einzieht - man bedenke, welch Abwechslung im stets gleichförmigen mittelalterlichen Leben! -, die Königin verliebt sich folgerichtig in den selbstbewussten Gecken ...
Aber Achtung, auf dem Turnierfeld erwarten unseren Helden andere, ebenfalls kampfeskräftige Recken, mit allen ritterlichen Tu- genden ausgestattet. Bleibt also zu hoffen, dass er sich im Turnier gegen seine Widersacher durchsetzen zu vermag. Doch darüber mögt ihr in einer nächsten Folge mehr erfahren ...
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