Ein Spielekoffer aus dem 14. Jahrhundert
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Wenn inzwischen auch eine längere Zeit verstrichen ist, seit wir uns hier zuletzt in Form von Artikeln mit dem mittelalterlichen Spiel befasst haben, so soll dieser Bereich keineswegs auf Dauer so sträflich vernachlässigt werden. Natürlich entstehen (zugegebenermaßen bereits seit längerem) vor unserem geistigen Auge laufend neue Spiel- und Handwerksprojekte. Doch bis es soweit ist, dass diese dem staunenden(?) Publikum präsentiert werden können, lohnt sich allemal ein Blick auf die Vorbilder, die uns die Vergangenheit, wenn auch vielleicht nicht in der Menge, in der wir uns dies wünschten, so doch in Form häufig prächtiger Realien hinterlassen hat.
Einen solchen Blick wollen wir im vorliegenden Beitrag wagen - auch auf die Gefahr hin, die ungelenken Erzeugnisse unserer eigenen Projekten fürderhin einem Vergleich auszusetzen, den sie niemals anders bestehen können als bestenfalls mit einem milden Lächeln bedacht. Doch wir vertrauen hier auf die Nachsicht unserer Leser, darauf dass ihr euch an der Schönheit der originalen Spiele ergötzt und darüber auf den Spott für unsere Spielereien vergesst ...
Ein solches mittelalterliches Meisterwerk sehen wir also hier vor uns - ein, nein, eigentlich zwei prachtvoll gestaltete Spielbretter, die zusammengeklappt ein Köfferchen oder eine Kassette bilden, in derem Inneren die Spielsteine aufbewahrt werden können. Zu finden und zu besichtigen ist dieses Prunkstück, das auf die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts datiert wird und möglicherweise aus Venedig stammen soll, (wie andere Spielebretter auch und vieles Staunenmachende mehr) im der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums Wien.
Es handelt sich um eines der wenigen, in derartig gutem Zustand erhaltenen Spielebretter jener Zeit. Auf seinem Holzkörper befinden sich Certosina Intarsien, Bestandteile aus Bein, Achat, Jaspis, Chalcedon, finden sich auch Miniaturen unter Bergkristall und bemalte Tonreliefs. Gewiss kein Spielekoffer für den kleinen Mann, nein, hier handelt es sich um ein fürstliches Repräsentationsobjekt, wie denn sich auch seine erste Dokumentation 1596 in der Ambraser Sammlung des Habsburgers Erzherzog Ferdinand II. findet.
Die Außenseite ergibt, unschwer zu erkennen, die 8 x 8 Felder des königlichen Spiels, des Schachs oder, wie es damals in unseren Landen hieß, des Schâchzabels. Innen - und sogor noch aufwendiger gestaltet erkennen wir die charakteristischen Dreieckfelder des damals sehr beliebten (mhdt.) Wurfzabel, spätmittelalterlich auch als Puff bzw. französisch als Trictrac bezeichnet (und somit allesamt Benennungen für die Vorläuferformen unseres Backgammons).
Die Schurken unter euch mögen jetzt vielleicht unverschämt die Zähne blecken, da sie das Wörtchen 'Puff' in einem anderen Zusammenhang genannt zu sein gewohnt sind. Tatsächlich hat der Begriff eine interessante etymologische und kulturhistorische Geschichte, in die neben Latein auch die damaligen Badegewohnheiten mit hineinspielen; diese wollen wir allerdings zu einem anderen Zeitpunkt, von umfangreichen Bildmaterialien ergänzt, erörtern, dann nämlich, wenn unsere vielen jugendlichen Leser bereits friedlich träumend und nichts Schlimmes ahnend ihrer Nachtruhe frönen.
Übrigends: Spielsteine für derartige Spielkassetten werden im Regelfall rund und flach gewesen sein - so wie der oben abgebildete, der allerdings älteren Datums ist als das besprochene Spielebrett -; so können sie im Inneren der flachen Kassette aufbewahrt werden. Mit den geeigneten Motiven versehen (häufig aus dem höfischen Bereich), sind sie ebenso fürs Schach geeignet wie eben für den Puff.
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