Kleine Liebeszaubereyn, Teil 2: 'ein wächsern bildnis' - der Atzmann ...
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Was denn vordem berichtet wurde: Zurück zum ersten Teil der Artikelserie.
Nun denn, so seid ihr euch also gewiss geworden, dass ihr die Liebe wollt zwingen mit allerley Zaubereyen? Habt gut bedacht all die Wirkungen, die daraus erstehen mögen? Eins lasst euch nämlich sagen: Nicht unbedacht sollt ihr erproben diese Kunst, denn zu lösen, was derart geschaffen, fällt manches Mal schwerer als leichtfertig zu binden - denkt nur daran, wie es dereinst Isolden ging mit Tristan ... und was daraus erwuchs (.. . und damit meinen wir den bitteren Schluss und nicht etwa das Spiel in der Minnegrotte).
Nachdem wir euch derart nun gewarnt - und somit im Voraus schon alle Verantwortung von den Händen gewaschen haben, über all das Ungemach, das euch widerfahren mag, wenn ihr denn der Regeln nicht peinlich genau achtet - können wir endlich beginnen. Also fegt beiseite alle Bedenken; wer denn das Zaubern erlernen will, der soll's durchs Zaubern tun und nicht durch schnödes Studieren - ein Rat, den einstens schon Goethes Zauberlehrling befolgte. 'Learning by doing' sozusagen ...
Womit also beginnen? Mit dem Trank? Nein, der mag für den Lehrling eine zu große Herausforderung sein. Denn die Rezepturen für derley Wässerchen, so werdet ihr sehen, sind nicht einfach zu besorgen. Also lasst uns etwas anderes tun, lasst uns Puppen zu Hilfe nehmen. Ha, Zauber mit Puppen, ruft ihr nun aus, das kennen wir. Voodoo ist's, aber diese Praktiken stammen aus karibischen Gefilden, aus afrikanischen Landen gar. Und das soll wirken? Wie?
Mit diesen Fragen seid ihr nicht allein. In besagten Esoterikforen - die wir in Vorbereitung zu dieser Serie durchforschten - finden sich Beiträge, die da lauten: 'Hallo! Ich habe kürzlich eine Voodoo-Puppe gekauft und würde nun gerne wissen, wie ich sie anwenden muss, dass sich ein Junge in mich verliebt. Habt ihr Erfahrungen damit? Funktioniert das wirklich?' So oder so ähnlich lauten die Kümmernisse jener, die dort nach Hilfe suchen und nach Rat.
Vielleicht wollt ihr jetzt wissen, was uns von Sælde und êre auf die Puppen gebracht hat, wenn denn diese Seite sich hautsächlich mit mittelalterlichen Gebarungen befasst? Nun, wir brauchen das fremdländische Voodoo nicht; Püpplein waren in jenen Zeiten bei uns im Gebrauch, 'imagines' in den Texten genannt, Abbilder. Später wurde solch ein Bildnis als 'Atzmann' bezeichnet, ein Name der entweder auf die Bedeutung 'auszehren' zurückgeht oder von einer Koboldsbezeichnung herrührte. Wir wissen's nicht genau.
Die Ursprünge führen, wie so oft, in die Antike zurück, Ovid schrieb davon und auch im Alexanderroman finden sich Belege. Dieser Bild- oder Analogiezauber nährt sich aus der Vorstellung, dass zuerst ein figürliches Bildnis zu schaffen sei von der Person, die der Zauber behexen soll. Dabei ist das Material nicht von Bedeutung, das Bild kann aus Ton, Holz, Stoff, Teig oder auch Wachs gefertigt sein. Auch ist es nicht nötig, dass die Figur das Vorbild getreu widergibt (ja, manche meinen gar, es reiche aus, Täfelchen mit eingeritztem Namen zu verwenden). Detaillierte Abbildungen, wie die obige am Beginn der Seite, machen vielleicht Spaß beim Formen und erregen die Phantasie, sind jedoch kein Muss ...
Ein solches Figürchen wird nun auf den Namen des zwangsweise zu Verführenden getauft und - soferne verfügbar, um der besseren Wirksamkeit wegen - mit dessen persönlichen Beimengungen versehen: etwa Fingernägel, Blut, Speichel oder Haar. (Nur angemerkt: Der einfache Zugriff auf Letzteres bietet gerade den im Friseurbereich Tätigen eine große Auswahl an potentiellen Zukünftigen. Ansonst heißt es, gebrauchte Kaugummi zu sammeln und dergleichen Appetitlichkeiten mehr - aber lasst euch nicht ertappen dabei, auf dass man euch nicht als seltsamen Sonderling betrachte ...).
Was dann einem solcherart behandelten Püpplein angetan wird, das - so der Grundidee des Analogiezaubers - widerfährt auch dem Menschen selbst, dessen Abbild es darstellt. Also dann - los kann es gehen! Hören wir, wie Jacob Grimm einen fahrenden Schüler in der Angelegenheit Liebeszauber zitiert:
'...
mit wunderlîchen Sachen
lêr ich sie denne machen
von wahs einen kobolt,
wil sie daz er ir werde holt,
und töufez in den brunnen,
und leg in an die sunnen
...'
Der Grundgedanke dahinter ist die scharfsinnige Beobachtung, dass das Aufkommen der Liebe - neben einer Einschränkung der normalen Denkvorgänge - häufig mit Hitzewallungen und Kälteschauern einhergeht. Alsdenn muss man den Atzmann nur frieren und Hitze leiden lassen, auf dass die Liebe im Körper seines Vorbilds erwache. Eigentlich logisch, oder? Also rein ins Wasser und dann raus aufs Fensterbrett. Moment ... halt! Nicht so rasch! Seid zur vorsichtig in der Anwendung, dann allzuschnell kann aus Liebeszauber Schaden entstehen.
Dann etwa, wenn ihr - um der Liebe Wirkung zu vertiefen - noch Eis ins Wasser gebt. Liegt der Liebste infolge dessen nämlich mit einer Verkühlung, niesend und hustend, im Bette, dann habt ihr ihn zwar am rechten Ort, aber sein Zustand wird dem ausdauernden Liebesspiel nicht eben zuträglich sein. Und wenn ihr, dies bedenkend, sein Bildnis auf einem Faden in die Sonne hängt, dann mag ihm der schaukelnde Wind gar arge Wirrungen im Kopf bescheren. Oder aber das Wachs und mit ihm die Feste seiner Körperglieder schwindet gar in der Hitze dahin - ist es wirklich das, was ihr euch wünscht?
Wie und wo es weitergeht, heisst ihr uns zu berichten? Nun, dann folget diesem Wegweiser, denn dort, wohin er euch führt, wird euch einiges über die Magie des Schlürfens beigebracht ...
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