Tafelmalerei in Tempera - Teil 1: Vorbereitungen und Einkauf
Hier geht's zurück zum Anschlagbrett und zur Hauptseite
Vor nicht allzulanger Zeit meinten wir, in einem Theoriebeitrag der (zuletzt einigermaßen behäbigen) Arbeitsgruppe 'Handwerk und Ausrüstung' gewisse Erkenntnisse über die in der mittelalterlichen Tafelmalerei verwendeten Holzarten zum Besten geben zu müssen. Schlimmer noch, bald darauf widmeten wir in einen Beitrag der Rubrik Wissen der Besprechung kunsttechnologischer Traktate des Mittelalters , in denen nicht zuletzt Rezepturen zur Herstellung von diversen Farben besprochen werden.
Solltet ihr jetzt fragen, warum 'schlimmer noch', dann gehört ihr zu den angenehmeren, uns stets lieben Zeitgenossen, Besuchern und Lesern. Andere nämlich, die lästigen, hinterließen in böse nebensächlicher Weise die Aussage, dass es doch recht einfach wäre, den großen Theoretiker zu geben, wenn man dabei doch niemals selbst handwerklich tätig werden müsse. Dieser Stachel stößt tief in unsere empfindsamen (Künstler?)Seelen - schließlich klingt derartiges ja fast, als wollten wir erdgebundenen Fußgänger den Vögeln das Fliegen erklären ...
So denn, beschlossen wir, Schluss mit dem Zufußgehen! Wir wollen es diesen Spottdrosseln zeigen: Hinauf also auf den sturmgepeitschten Felsen, an den Abgrund getreten, Augen zu und ... Doch halt, so schnell fligen die Ermännchen nämlich nicht. Dazu bedarf es erst der richtigen Ausrüstung und Technik. Um ersteres, die Ausrüstung, soll es in diesem Beitrag gehen. Genauer um die Beschaffung derselben, die, weil für den Fall, dass man mittelalterliche (Tafel-)Malerei auch hinsichtlich der verwendeten Materialien einigermaßen korrekt nachvollziehen möchte, nicht einfach zu besorgen ist. Dazu bedarf es schon der unendlichen Weiten des Internets ...
Es sei denn man ist in einer Großstadt beheimatet, in der sich Geschäfte finden, die sich auf Künstlermaterialien und -zubehör spezialisiert haben - so wie das in Wien der Fall ist, wo sich in ansonst archtektonisch recht wenig herausfordernder Simmeringer Umgebung ein derartiger Laden findet. Und zwar recht imposant, in Form eines Großmarktes nämlich, in dem auf rund 3000m2 angeboten wird, was Künstlern und zukünftigen Möchtegernkünstlern das Herz erwärmt.
Vorweg: Es handelt sich um Fachgeschäft, das zum größten Teil spezielle Materialien und Werkzeuge anbietet. All die benötigten Pigmente, Leime, Kreiden und was euch sonst noch als nötig erscheint an kleinen Tuben, Säckchen und Behältnissen, sind in Summe nicht billig, wie wir zu unserem Leidwesen an der ausgangsseitigen Zollstation/Kassa erfahren mussten, wo ob der harschen Zahlungsaufforderung des dortigen Zöllnerin auch kein Händeringen, Seufzen, Haareraufen und Verweisen auf sieben hungrige Kindlein Erleichterung und Nachlass bringen konnte.
Solltet ihr also ähnliche Arbeiten ins Auge fassen, wie wir hier in naher Zukunft zu beschreiben gedenken, dann bedenkt vorab, dass gerade ein erster Einstieg, wenn denn noch nichts vorhanden ist an all dem notwendigen Material, euch einiges an Kosten abverlangen wird.
Was es denn ist, was soviel an Aufwand verlangt, fragt ihr jetzt? Nun, das kommt ganz auf die Technik an, der ihr euch widmen wollt. Wir gedenken beispielsweise einige Versuche in Tempera auf Holz nach (mehr oder weniger originalen) mittelalterlichen Rezepturen zu wagen (und wir sehen jetzt schon im Geiste leimverklebte Hände und farbklecksbunte Kleider vor uns).
Wir wollen uns also ganz bewusst nicht darauf beschränken, nur die Motive zu kopieren, (wie wir das noch bei unseren, schon etwas zurückliegenden Arbeiten mit Beizen (hier zum Beispiel) getan haben); dieses Mal soll speziell der (korrekte?) Herstellungsvorgang der Gemälde im Blickpunkt stehen, und zwar von den ersten Schritten an bis zur Fertigstellung ...
Dabei werden uns solche Arbeiten erwarten wie die Herstellung einer geeigneten (Kreide-)Grundierung der Maloberfläche, das Anreiben der Temperafarben (Tätigkeiten, die sicherlich eine gewisse Erfahrung voraussetzen, um zu zufriedenstellenden Ergebnissen zu gelangen und somit eine ganze Reihe von Versuchen, basierend auf verschiedenen Rezepturen), der eigentlichen Bilderstellung mit allen Besonderheiten, die diese Art von Malerei mit sich bringt, der abschließenden Fixierung, usw.
Wie es mit den derzeit vorhandenen Materialien aussieht? Was nun von uns erhandelt wurde? Feingewebter Leinenstoff (preisgünstig vom Müller in Kritzendorf!) Verschiedene Kreidesorten, verschiedene Leime und Öle. Ein kleines Sortiment von temperatauglichen Pigmenten (die jedoch nicht alle tatsächlich auch in der mittelaltelichen Malerei zum Einsatz gekommen sind - was unserer Ansicht nach zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht schlimm ist: Schließlich geht es vorerst einmal darum, gewisse Erfahrungen in der Anwendung zu gewinnen - was mit billigeren Pigmentsorten sicherlich ebenso möglich ist wie mit originalem Fra Angelico Blau ... nur eben kostengünstiger!) Ein sauteurer Glasläufer zum Farbanreiben (vielleicht gibt's da ja noch einige includierte Sonderfunktionen, dei wir noch nicht entdeckt haben), diverse Spachteln, Aufbewahrungsfläschen und -döschen, ...
Ob das aller recht gelingen wird, fragt ihr euch? Wie sollte jemand, der schon Probleme hat, den Dotter sauber vom Eiweiß (und von der Schale) zu trennen, brauchbare Temperafarben anreiben können? Sollte man Champagnerkreide staubtrocken fressen oder nicht doch eher im aufgelösten Zustand schlürfen? Gehen Komplimente danach wirklich leichter über die Lippen? Und nicht zuletzt: Was anfangen mit dem überflüssigen Eiklar? Fragen über Fragen also, die wir euch in einer Folge von Artikeln demnächst beantworten wollen, ...
... von denen der nächste, wie immer äußerst spektakuläre, hier zu finden ist.
Hier geht's zurück zum Anschlagbrett und zur Hauptseite
© 2015, Gestaltung und Inhalt: H. Swaton - alle Rechte vorbehalten