Repräsentatives kaiserliches Spielbrett für den 'Langen Puff', 16. Jahrhundert
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Mit dem vorliegenden Beitrag wollen wir (nicht zum ersten Mal) die Grenzen des Mittelalters überschreiten - in eine neue Zeit hinein, in eine Epoche der Umbrüche und Entdeckungen, eine Zeit, in der ein Kaiser aus dem Hause Habsburg über ein Reich gebieten konnte, in dem die Sonne niemals unterging. Klar, dass eine solche Machtfülle und solche Machtansprüchen auch im Bereich der Hofhaltung angemessen repräsentiert zu werden hatten. Unter anderem auch in Form von Kunst-, aber auch 'Gebrauchs-'gegenständen, für deren Beschaffung bzw. Fertigung kaum einmal etwas zu teuer war.
Und so sehen wir uns hier einem, zu einer schmalen Kassette zusammenlegbaren, Spielbrett gegenüber, das einerseits die Tradition mittelalterlicher Spielekoffer fortführt (womit die Berücksichtigung in diesem Rahmen aus unsere Sicht jedenfalls gerechtfertigt erscheint), jedoch in unübertreffbarer Kunstfertigkeit von den Meistern seiner Zeit nach dem Motto 'dem Mächtigsten nur das Prächtigste' gefertigt wurde.
Zu finden und in all seiner Pracht zu besichtigen ist die staunenmachende Arbeit wie soviel anderes auch im der Schatzkammer des Kunsthistorischen Museums Wien). Wer also die Gelegenheit dazu findet, sollte sie unbedingt zu einem oder besser mehreren Besuchen nutzen.
Anders als bei dem bereits früher beschriebene Spielekoffer aus dem 14. Jahrhundert bietet die vorliegende Kassette nur Platz für ein Spiel, den sogenannten 'langen Puff'; auf den Abbildungen erkennen wir es unschwer als unser Backgammon. Das Spielbrett selbst wird durch die Innenseiten der aufgeklappten Kassette gebildet, während das reiche Bildprogramm der Außenseite dem Lobe des Hauses Habsburg und vor allem der Propagierung seiner dynastischen und teritorialen Ansprüche dienen soll. (Man möge übrigens die bescheidene Qualität der illustrierenden Bilder samt Reflexionen verzeihen, die nebst beschränkten fotographischen Fähigkeiten den Aufnahmeumständen im Museum geschuldet sind).
So finden sich in den Zentren der beiden Kassettenhälften auch die zu Pferde sitzenden Brüder Karl V. und Ferdinand I. Umgeben sind sie von Abbildungen ihrer Ahnen und Verwandten, aber auch von solchen römischer Imperatoren und antiker Weltkönige - solcherart die Darstellung die Machtansprüche und das Selbstverständnis der Herrscher aus dem Hause Habsburg versinnbildlichend - sowie, im äußeren rechteckigen Rahmen, von den Wappen ihrer Länder.
Äußerst interessant auch der Blick auf die Spielsteine, deren feine Schnitzereien eine jede ein anderes literarisch-mythologisches Thema abbildet. Grund genug also, mit diesen kleinen Kunstwerken sorgfältig umzugehen und sie nach dem Spiel wieder im sicheren Inneren der Kassette aufzubewahren (- wobei bezweifelt werden darf, dass mit einem derartigen Repräsentationsobjekt tatsächlich des Öfteren gespielt wurde ...).
Wer aber sind die Künstler, welche dieses Meisterwerk erschaffen haben? Die vorbildliche Beschilderung im Museum gibt uns auch dazu Auskunft: So wird das Konzept, das auf das Jahr 1537 datiert wird, dem Georg Hörmann aus Kaufbeuren zugeschrieben, der Entwurf der Werkstatt des Jörg Breu d. Ä.. Ausgeführt wurden die meisterlichen Schnitzereien schlussendlich von Hans Kels d. Ä..
Als Materialien wurden sowohl einheimische als auch überseeische Hölzer (Eiche und Nuss; Rosenholz, Palisander und Mahagoni) verwendet; dazu kam noch Bronze zum Einsatz. Wir Heutigen können ob der Kunstfertigkeit, mit der diese Materialien (in Handarbeit) bearbeitet und arrangiert wurden, wohl nur noch staunen - und das papiererne Backgammonspielbrett aus dem eigenen Spielekoffer verstohlen unter den Teppich schieben ...
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