Tafelmalerei in Tempera - Teil 5: Farben werden angerieben und dann ... der Grundauftrag
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Die ersten Teile der Serie versäumt? Solltet ihr nach dem Lesen des heutigen Beitrages noch Lust dazu haben - hier geht's zurück zur Beschaffung der nötigen Materialien (Teil 1), zur Herstellung des Kreidegrundes (Teil 2) zum Motivauftrag (Teil 3) und zur Herstellung der Eiemulsion (Teil 4).
Nachdem nun alles bereitet ist - der, nein, die Malgründe, denn wir haben in weiser Voraussicht gleich drei vorbereitet, in der Erwartung, nicht bereits mit dem ersten Versuch der Eitemperamalerei ein Meisterwerk schaffen zu können, das die Werke eines Uccellos oder eines Fra Angelicos in den Schatten stellen könnte, sondern bestenfalls erst mit dem zweiten, vielleicht sogar erst mit dem dritten - nachdem also die Gründe bereitstehen, alle mit demselben Motiv, und auch die Eiemulsion, hält uns nichts mehr davon ab, die teuren Farbpigmente aus dem Wandschließfach zu ziehen und loszulegen.
Endlich! Endlich können wir beweisen, welch einfache Sache es ist, diese alte Maltechnik neu zu ergründen. Malkurse besuchen, die sich dieses Themas annehmen? Erfahrungsberichte lesen? Rezepturen und Anweisungen alter Meister studieren? Ach wo, was braucht es das alles schon, wenn man viel einfacher, von aller beschränkender Technik ledig, munter drauflosmalen kann! Was sollte schon viel anderes zu beachten sein als das, was man noch von der Aquarellmalerei aus der Schulzeit kennt?
Los also, Farbdosen geöffnet (Vorsicht mit dem Niesen!!) und die Farben angerieben. Das, so weit haben wir uns zumindest informiert, auf der Glasplatte mit dem Glasläufer geschehen. Pigment, etwas Wasser, Emulsion nach Gefühl, teigig verrührt, mit dem Glasläuferfer zur ebenmäßigen Paste ausgestrichen. So, oder so ähnlich wär's richtig ...
Aber das Beachten von Rezepturen und das Einhalten von detailliert geplanten Abläufen sind etwas für Angsthasen! Und das Anreiben von Farbe mit dem Läufer auf Glas verursacht zudem viel Dreck und Reinigungsaufwand - vor allem, wenn man nur recht wenig an jedem Farbton benötigt, weil ja die Gründe versuchsweise so klein sind. Und - sind wir uns ehrlich -, das Aufräumen und Putzen ist nichts, das dem begnadeten Künstler gut ansteht. Viel lieber bedienen wir uns da der Vorgangsweisen der genialen Geister, die da ohne viel nachzudenken, munter drauflos improvisieren.
Her also mit dem kleinen Schalen - anstelle der viel unhandlicheren Glasplatte - und den Glasläufer, der ja nun eindeutig überdimensioniert ist für eine Schälchen mit der, im Vergleich dazu, höchstens halben Grundfläche! Ein wenig Pigment dazu - welches denn nun, um den gewünschten Farbton zu erzielen? Egal, einfach einmal nach untrüglichem Gespür angemischt, ein wenig Kreide noch zur Füllung, ...
... mit Wasser und Emulsion mit viel Gefühl zur malfähigen Konsistenz ergänzt - wieviel von einem jedem wollt ihr wissen? Lasst uns das gleich einmal eruieren! - und dann, ja dann ist es soweit! Den Pinsel eingetaucht, der erste Farbauftrag! Welch Pracht wird gleich erstrahlen, wenn grüne und braune Erden, wenn Bergblau und Zinnober sich zum Gesamtkunstwerk vereinen, wenn die Wappen von den Schildern leuchten, an den Helmen der Ritter die Lanzen splittern!
Au weia, der erste Farbauftrag, als bräunlich-grüne Untermalung gedacht, mag nicht recht haften! Zuviel Fett? Egal, einfach ein zweites Mal über die zu blasse, noch frischnasse Farbe gepinselt - ach, wie geschieht es uns nun? Anstatt dunkler zu färben, löst sich nun unter dem hektischen Pinselhaar auch die untere Schicht zur Gänze wieder ab. Und mit jedem Strich wird es schlimmer! So geht's nicht.
Also einfach weitergemalt, mit dem zu blassen Farbauftrag. Strich für Strich nebeneinandergesetzt mit dem ordentlich in Farbe getränkten Flachpinsel. Das Ergebnis? Ungleich ausbleichende Streifen, mal von dunkler Farbe, dann wieder von fast farbloser Bleiche. Kleine Zwischenräume oder Übermalungen, gerade dort, wo es enger wird mit dem Platz. Der Pinselwechsel verhilft zu mehr Manövrierfähigkeit in den Engen, bewirkt aber dafür erneut veränderte Farbnuancen, die ohnehin von Anfang an dem, was eigentlich intentiert war, ohnehin nie ähnelten ...
Das war jetzt aber nicht gerade das Gelbe vom Ei. Welch Jammer. Es scheint also doch zu stimmen, dass das Temperagemälde eines ist, das in mehreren - vielen? - aufeinanderfolgenden Schichten aufzutragen ist. Deren genaue Anordnung und Abfolge womöglicherweise bereits von Anfang an zu planen ist, ändern doch die Farben, wie sich uns bald zeigt, im Verlaufe des Auftrocknens noch einmal ihren Ton. Von wegen Meisterwerk! Nach dem Auftrag der ersten ein bis zwei Schichten liegen nun drei fleckige Oberflächen vor uns, die eher den Eindruck machen, als wären sie von einem Kleinkind bepinselt.
Sowas auch an Undankbarkeit! Da müht man sich an den Malgründen herum, kämpft mit Eierschalen und Dottern - und dann weigert sich das angehende Gemälde so nachdrücklich, sich unseren Wünschen zu fügen! So viel (schlechte) Vorbereitung und dann solch ein (Zwischen-)Ergebnis! Vielleicht sollten wir doch einmal kurz nachschlagen, was es denn alles zu beachten gäbe? Aber nein - für heute reicht's, wir haben erst einmal die Nase voll! Wenn das Medium unsere künstlerischen Absichten nicht zu schätzen weiß, dann soll es doch ... *@!! ... Wenn heute überhaupt noch Ei, dann höchstens in Form von Eierlikör - zur Beruhigung der aufgebrachten Nerven ...
Was nun? Was mit den unschönen Brettlein beginnen? Im angehenden Winter als Heizmaterialien verwenden? Oder sie einfach als das behandeln, wofür sie nämlich ursprünglich vorgesehen waren? Als Übungsobjekte, an denen zu erproben wäre, welche Gesamtsumme an Fehlern man bei Eitemperamalerei begehen könne? Ob Ersteres oder Letzteres, oder etwas ganz anderes das Schicksal der unglücklichen Drei sein wird, das wollen wir euch hier, in der Fortsetzung verraten!
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