'... hie garzûne ruofâ ruof' - Das Turnier vor Kanvoleis 4
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Nun ist's genug mit Müßiggang, entscheidet unser Held Gachmuret, der inmitten des Kampfgetümmels seine Ruhestatt bezogen hat. Der von dort aus die entbrennenden Zweikämpfe seiner Gegner und Verbündeten beobachtet hat. Nun, da sich alle Zuschauer schon fragen, allen voran die neugierige Königin, wo denn dieser prächtig gekleidete Recke bleibt, der da mit solchem Pomp und Aufwand in die Stadt eingezogen ist, ist der geeignete Augenblick da. Wie im Theater der Regisseur, der den dramaturgisch richtigen Zeitpunkt wählt, besitzt auch Gachmuret das Gespür, wann er zu erscheinen hat, um sich möglichst gut ins Bild setzen zu können.
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Parzival (Ausschnitte aus Buch 2)
...
Nun steckte auch Gachmurets Leib
in jenem Harnisch, der seiner Gemahlin
als Sühnegabe gesandt worden war.
...
Auf Erden gab nichts vergleichbar Gutes.
Da betrachtete er den Diamanthelm:
Das war ein Helm! Darauf band man
einen Anker, darin sich
edle Gesteine fanden,
große, keine kleinen:
dies stellte eine schwere Last dar.
Auch sonst war der Gast prächtig gekleidet.
Wie sein Schild verziert war?
Aus arabischem Gold
war ein wertvoller Buckel draufgeschlagen.
Dieses Gewicht musste er tragen.
Er war so glänzend poliert,
dass man sich darin spiegeln konnte.
Darunter war ein Anker aus Zobelpelz.
Mir selbst gönnte ich gerne,
was er am Leibe trug:
denn es war manche Mark wert.
Sein Waffenrock war weit geschnitten;
ich wüsste keinen so prachtvollen,
mit dem man seitdem in den Kampf zog.
Seine Länge rührte bis zum Teppich.
Wenn ich ihn beschreiben wollte,
so glänzte er als brenne
in der Nacht ein loderndes Feuer.
Nirgendwo war er abgetragen.
Sein Glanz zog die Blicke an
und war so hell, dass er ein krankes Auge schmerzte.
Er war aus Gold gewirkt,
dass aus den Bergen des Kaukasus
aus einem Felsen
Greifenklauen herausrissen, die es dort bewahren.
Arabische Händler reisen dorthin
und erwerben es mit List
(denn kostbareres Gold gibt es nirgendwo)
und bringen es zurück nach Arabien,
wo man den grünen Achmardi
und die wertvollen Seidenstoffe webt.
Andere Kleidung kommt der nicht gleich.
Den Schild zog er bis zum Halse hoch.
Ein prächtiges Pferd stand hier,
bis zu den Hufen trefflich gewappnet.
Die Knappen erhoben den Kampfruf.
...
Parzival (Ausschnitte aus Buch 2)
...
Nu was ouch Gahmuretes lîp
in harnasche, dâ sîn wîp
wart einer suone bî gemant;
...
ûf erde niht sô guotes was.
dô schouwet er den adamas:
daz was ein helm. dar ûf man bant
einen anker, dâ man inne vant
verwieret edel gesteine,
grôz, nihz ze cleine:
daz was iedoch ein swaerer last.
gezimieret wart der gast.
wie sîn schilt gehêret sî?
mit golde von Arâbî
ein tiuriu buckel drûf geslagen,
swaere, die er muose tragen.
diu gab von roete alsolhez brehen,
daz man sich drinne mohte ersehen.
ein zobelîn anker drunde.
mir selben ich wol gunde
des er het an den lîp gegert:
wand ez was meneger marke wert.
Sîn wâpenroc was harte wît:
ich waene kein sô guoten sît
ie man zu strîte vuorte;
des lenge den teppech ruorte.
ob ich in geprüeven künne,
er schein als ob hie brünne
bî der naht ein queckez viur.
verblichen varwe was im tiur:
sîn glast die blicke niht vermeit:
ein boesez ouge sich dran versneit.
mit golde er gebildet was,
daz zer muntâne an Kaukasus
ab einem velse zarten
grîfen clâ, die ez dâ bewarent.
von Arâbî liute varent:
die erwerbent ez mit listen dâ
(sô tiurez ist ninder anderswâ)
und bringentz wider ze Arâbî,
dâ man diu grüenen achmardî
wurket und die pfellel rîch.
ander wât ist der vil ungelîch.
den schilt nam er ze halse sân.
hie stunt ein ors vil wol getân.
gewâpent vaste unz ûf den huof,
hie garzûne ruofâ ruof.
...
Anmerkungen:
Mit dem Zuwarten hat er mehrere Fliegen auf einen Schlag geklatscht. (Nun wenn's denn ein heißer Tag gewesen, dann mag er diese Fliegen nicht nur sprichwörtlich erlegt haben, während er seine Kontrahenten beobachtete). Denn wenn er jetzt einreitet und sich dem Streit stellt, dann sind es mehrere Vorteile, die er sich verschafft hat. Erstens hatte er die Gelegenheit, die Kampf- eskünste seiner Gegner zu beobachten, ihr Vorgehen, ihre Eigenheiten. Ihm als erfahrenen Kämpfer werden wohl keine Details ent- gangen sein.
Außerdem konnte er die Stärkeverhältnisse der einzelnen Kämpfergruppen erkunden: Wer eilt wem zu Hilfe, wie zahlreich sind die Knappen, die sich in den Kampf mengen. Des Weiteren haben die anderen Herren nun bereits das eine oder andere Gestech in Armen, Beinen und Gesäß. Pferd und Muskeln werden müde und die Konzentration lässt nach. Gut so, denn dann wird die eigene Aufgabe einfacher.
Doch dürfen wir Gachmuret nicht unterstellen, dies seien die Hauptmotive für sein verspätetes Eingreifen in das Kampgeschehen. Nein, denn wenn man die Denkweise dieser stolzen, selbstbewußten, häufig angeberischen und manchel gerade gockelhaften ade- ligen Reiterkrieger in Betracht zieht, dann kann man dafür mit ziemlicher Sicherheit wohl den Wunsch annehmen, möglichst großes Aufsehen zu erregen. Doch dazu bedarf es nicht nur des geeigneten Zeitpunktes, sondern - natürlich - auch der passend pracht-vollen Ausstattung.
Gachmuret denkt auch jetzt noch gar nicht daran, sich zu sputen oder etwas zu übereilen. Rüstung und Ausstattung müssen bis ins kleinste Detail stimmen. Nun ist dies verständlich, wenn eine solche Sorgfalt dem Schutz des eigenen Lebens dient. Wieder einmal zeigt sich an der ausführlichen Schilderung dieser Utensilien jedoch auch, dass sich derartige Beschreibungen in mittelal- terlichen Erzählungen großer Beliebtheit erfreuten. Wie sonst könnte man einen derartigen Bekleidungsexkurs zu einem Zeitpunkt erklären, an dem die Zuhörerschaft des Dichters bereits den bevorstehenden Kämpfen entgegenfiebert. Allerdings ist es gar nicht die Rüstung selbst, das Kettenhemd, dem eine solche Aufmerksamkeit zuteil wird. Vielmehr jene Besonderheiten, die Gachmuret vor seinen Rivalen hervorstechen lassen: der diamantene Held, der goldgeschmückte Schild und vor allem der prächtige Waffenrock, aus Gold gewirkt, das Greifen im Kaukasus schürfen ...
Allerdings geht unser Held mit seinem sorgfältig inszenierten Auftritt auch ein großes Wagnis ein. Jetzt ruhen alle Augen auf ihm, jedermann und vor allem - frau erwarten Wunderdinge im Kampf. Sollte er sich nicht bewähren, sondern schmählich den Staub des Kampffeldes schlucken müssen, dann wären ihm Spott und Schande sicher. Was ihm nun blüht, Ehre und Auszeichnung oder höhnisches Gelächter, darüber mögt ihr in den kommenden Folgen lesen ...
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